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«Kreativität kann man nicht bestellen wie eine Pizza» Von Sibylle Hartmann. Aktualisiert am 14.10.2013  DER BUND   Den Kunsttherapeuten Jordi Rossell lässt das Klischee, dass er seine Patienten bloss mit Malen und Töpfern beschäftigt, kalt.
Jordi Rossell in seinem Atelier in der Privatklinik Wyss. Bild: Valérie Chételat Eine Mausefalle liegt auf dem Boden des Ateliers von Jordi Rossell. Sie ist mit goldener Farbe angemalt. Anstelle von Käse sind eine kleine grüne Flasche und ein Miniatur-Velo an der Lockstelle als Köder angebracht. Auf der Flasche steht Drogen, das Fahrrad ist mit Leistung angeschrieben. «Das ist die Arbeit eines Burn-out-Patienten», sagt Rossell. Er sitzt auf einem Stuhl in seinem Atelier in der Privatklinik Wyss in Münchenbuchsee und deutet auf die Mausefalle, die vor ihm liegt. Entstanden ist das kleine Kunstwerk in einer Therapiesitzung mit der Aufgabe «Die goldene Mausefalle». Dabei sollten die Patienten mit Recycling-Materialien darstellen, bei was sie sich im Leben immer wieder die Finger einklemmen. «Es ist eine von 80 Aufgaben aus meinem Ideen-Pool. 70 davon habe ich selber kreiert», sagt Rossell. Zwei goldene Regeln Man spürt es sofort. Diese Arbeit erfüllt ihn. Er hat seine Berufung gefunden. Das war aber nicht immer so. Wie seine Patienten war auch der 1964 geborene Andorraner lange auf der Suche. Immer wieder kam er an berufliche Wendepunkte, was auf Altgriechisch Krise bedeutet. Nach einem abgebrochenen Archäologie-Studium in Barcelona landete er ein erstes Mal beim Berufsberater. Auf dessen Empfehlung hin begann er mit einem Maltherapie-Studium. «Obwohl ich selber male, war das nicht meine Welt», sagt Rossell. Gemeinsam mit dem zweiten Berufsberater fand er schliesslich in der Kunsttherapie die berufliche Welt, in der er sich zu Hause fühlt. «In meine Welt lade ich alle Menschen ein, egal welchen Alters, welcher Herkunft oder mit welchem Krankheitsbild», sagt Rossell. In seinem Atelier, das auf den ersten Blick leer wirkt, herrschen zwei goldene Regeln. «Erstens: Sie können hier nichts falsch machen. Gefühle dürfen sein, wie sind. Zweitens: Sie müssen hier nichts, sondern Sie dürfen.» Beim Erzählen klatscht Rossell immer wieder in die Hände. «Wenn mir ein Patient sagt, dass er heute nicht will, dann applaudiere ich. Kreativität kann man nicht bestellen wie eine Pizza.» Prozessorientierte Arbeit Zwischendurch steht er auf, spricht dabei ohne Pause weiter, und holt einen Gegenstand nach dem anderen. Der Raum nimmt langsam Farbe an mit den bunten Werken seiner Patienten auf dem Boden. Voller Begeisterung blättert er in einem Fotobuch. Am Titelbild kann er sich kaum sattsehen. Es zeigt ein Trachtenfigürchen in einer gelben Blume. Auf der Blume sitzt eine Biene, die im Vergleich zum Figürchen gefährlich gross wirkt. «Es symbolisiert die grosse Angst im Leben dieser Frau.» Wie kommt er als Kunsttherapeut zu seinen Interpretationen? «Die kommen nicht von mir. Ich frage immer die Patienten, was sie in ihren eigenen Arbeiten über sich selbst herauslesen können.» Seine Arbeit sei sehr prozessorientiert. «Zeit ist immer ein grosses Thema in meinen Sitzungen. Wie soll ich etwas schnell verändern, was ich über lange Zeit gleichgemacht habe. Loslassen braucht Zeit», sagt er. So dauern die Sitzungen mit der Burn-out-Gruppe drei statt zwei Stunden. So könne er ihnen schon mal das Tempo rausnehmen. Zeit als kostbares Gut Wie die goldene Mausefalle und das Fotobuch mit den Miniatur-Figuren zeigen, arbeitet der Kunsttherapeut mit den verschiedensten Materialien und Medien. «Ich bin ein Feind des Bastelzentrums,» sagt er. «Ich arbeite nur mit Recycling-Materialien.» Was sagt er zum Klischee der Kunsttherapie, dass man da einfach bloss ein bisschen mit Malen und Töpfern beschäftigt wird? «Wie sagt man so schön: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht». Rossell will sich nicht länger damit aufhalten. Lieber widmet er seine Zeit wieder dem Gespräch über seine Arbeit. Denn in dem Moment klopft es an seiner Tür. Die nächste Gruppe wartet. «Ich konnte jetzt nur über einen kleinen Teil meiner Arbeit erzählen», sagt er, als es bereits ein zweites Mal klopft. Auch wenn er bei seinen Patienten stets am Faktor Zeit arbeitet, ist sie auch für ihn ein kostbares Gut. Aber Jordi Rossell bleibt trotz Zeitdruck gelassen. Er läuft zur Tür, begrüsst seine Patienten und bittet um fünf Minuten Geduld. Ununterbrochen spricht er weiter über seine Leidenschaft, bis die Tür aufgeht und die Gruppe das Atelier in Beschlag nimmt.(Der Bund) Seit zwei Jahren anerkannt Die Kunsttherapie ist eine relativ junge Disziplin. Der Grundstein wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Psychoanalyse von Sigmund Freud gelegt. Mit gestaltenden Mitteln versuchte man, Zugang zum Innern des Patienten zu finden. Heute definiert der Dachverband der Schweizer Berufsverbände für Therapien mit künstlerischen Medien das Berufsbild wie folgt: Kunsttherapie beinhaltet die Ressourcenaktivierung, die Freisetzung der Selbstheilungskräfte und die Regulation der Prozesse der leiblichen, seelischen und geistigen Gesundheit. Neu umfasst die Bezeichnung in der Schweiz alle mit künstlerischen Medien arbeitenden Fachrichtungen: Bewegungs-, Tanz-, Drama-, Sprach-, Gestaltungs-, Mal-, Musik- und intermediale Therapie. Durch die höhere Fachprüfung gilt der Beruf seit 2011 als eidgenössisch anerkannt. Damit die Krankenkasse über die Zusatzversicherung die Kosten übernimmt, kann sich der Therapeut unter anderem im eidgenössischen medizinischen Register eintragen lassen. Vortrag Kunsttherapie – Krise als Wendepunkt von Jordi Rossell im Stauffacher Bern, Mi. 16. Oktober, 20 Uhr. Erstellt: 14.10.2013, 13:36 Uhr